Dichter beschimpfen Dichter. Ein Alphabet harter Urteile Eine Auswahl. Zusammengesucht von Jörg Drews & Co.
Liebe ist die wahnhafte Überschätzung eines Objekts. Haß allein macht scharfsichtig.
BLOOR SCHLEPPEY
Die Auswahl der Auswahl zusammengestellt von Christiane Heuwinkel
Alfred Andersch
Der Mann hat doch einfach keine inneren Ressourcen.
— Arno Schmidt
Jean Anouilh
Neulich war ich im Theater (mir ja ein sehr unsympathischer Aufenthaltsort). “Antigone” von Jean Anouilh. Moderne Sache: Antigone im Straßenkleid, mit Cigarette u. Café, aber doch… zuviel Geschwafel (“abendfüllend”) dabei. Ich persönlich finde ja jede Kunstäußerung, die 60 Minuten überschreitet, infam.
— Gottfried Benn
Er hat eine neue Mätresse? Unmöglich – bei dem schläft doch nur das Publikum.
— Jean Cocteau
Achim von Arnim
Er ist wie ein Faß, wo der Böttcher vergessen hat, die Reifen festzuschlagen, da läuft’s denn auf allen Seiten heraus.
— J.W. Goethe
Atticus
Du deklamierst flott, Atticus, und prozessierst flott,
flott schreibst du Geschichte, flott schreibst du Gedichte,
du machst flotte Kabarett-Programme und flotte Epigramme,
flott bist du als Sprachforscher und flott als Sterndeuter,
du bist ein flotter Sänger, Atticus, und ein flotter Tänzer,
flott beim Gitarrenspiel und flott beim Ballspiel.
Während du nichts gut machst, machst du doch alles flott.
Soll ich dir sagen, was du bist? Du bist ein großer Stümper!
— Horaz
Honoré de Balzac
Balzac, Balzac: kein Dichter; kein Verhältnis zur Natur (das wichtigste Kriterium!). Nur alle 20 Seiten einmal etwas wirklich Gutes, eine präzise Formulierung, ein suggestives Bild, eine Initialzündung der Fantasie. Wie lächerlich z.B. seine ewigen, 2 unbeholfene Druckseiten langen, Beschreibungen von den Boudoirs der Haute Volée!: vermag Einer die Scherben solch unsinnigen Puzzle-Spiels zusammenzusetzen? Und so oft Gestalten, Motive, Situationen wiederholt, wie nur je ein Vielschreiber. Männer gelingen ihm nie; nur Incroyables, Geizhälse, Journalisten, giftmischende Portiers (wie wohltuend dagegen selbst Cooper und Scott). Seine Frauen: Kurtisanen oder Mauerblümchen. Psychologie??: o mei!!: den einzigen ‘Anton Reiser’ geb ich nicht für Balzac und Zola zusammen!
— Arno Schmidt
Charles Baudelaire
Baudelaire ist der Dichter des französischen Kleinbürgertums… Das ist das Lied des Hahnes, das aus drei Strophen besteht. Die Armut, das ist bei ihm die des Lumpensammlers; die Verzweiflung die des Parasiten, der Hohn der des Schnorrers. Die Moderne, die eine Antike werden sollte, wurde denn auch nur eine Antiquität, eine Kleinantike. Er drückt in keiner Weise seine Epoche aus, nicht einmal zehn Jahre. Seine Wörter sind gewendet wie abgetragene Röcke, wieder »wie neu«. Seine Bilder sind wie eingerahmt, und alles ist überstopft. Das, was erhaben sein soll, ist nur gespreizt. Er lebt nicht nur von der Unmoral, sondern auch von der Moral. Er verkauft eben Schocks.
— Bertolt Brecht
Gottfried Benn
Diesen Burschen, der damals von dem Ende des Nihilismus schrieb und uns Emigranten wütend beschimpfte, kenne ich nicht und plane ich nicht zu kennen. Jedenfalls wird er sein Leben ohne mich verbringen müssen. Der Umstand, daß ihn die Kommunisten ablehnen, wäscht ihn nicht rein und macht ihn mir nicht appetitlich.
— Alfred Döblin
Das Ausland verhöhnt mich, weil ich Nazi und Rassist bin und die Nazis, weil ich undeutsch, formalistisch und intellektuell bin.
Scheibenkleister! Strich drunter.
— Gottfried Benn
Thomas Bernhard
Ein Schlittschuhfahrer, ein Fummler, ein zeilenschindender Nörgler, ein Verzapfer syllogistischen Platitüdensalats, ein mottenkranker Unentjungferter, ein schlüpfriger Winkeladvokat, ein Salzburger Korinthen kackender Schmähsabberer, ein Prahlhans, der alles besser kann als die anderen… ein ungehobelter Bär, der sich selbst mit seinen Schrullen zugrunderichtet, da er stets dieselben Pfotenhiebe austeilt, mit immer derselben dicken, schweren, dickköpfigen, niederländischen Bauernlümmelpfote, dieselben Hiebe nach immer denselben Hirngespinsten, dem Land seiner Geburt und dessen Patrioten, den Nazis und den Sozialisten, den Theatermachern, allen anderen Schriftstellern und mit Vorliebe den guten, genauso nach den Kritikern, die seine Bücher beweihräucherten oder verrissen, ja, ein armseliger, selbstverliebter Don Quichotte, dieser elende, alles verratende Wiener.
— Hervé Guibert
Thomas Bernhard – gemessen an den von jeder Vorausreflektion ganz freien, ungefilterten Radikalsuaden Célines einfach nur mittelmäßiges Phrasendreschwerk, wenig bis gar kein Intellekt dahinter. Eine Schreibmaschine, die, einmal angeworfen, Maschinensätze produziert. Der nachgewiesenermaßen vom Staate Österreich meistunterstützte Autor, ein Provinzler, der sich als verfolgtes Quasiopfer eines Quasinazisystems zu stilisieren wußte, dabei die niedersten Bedürfnisse des Marktes bedient hat.
— Helmut Krausser
Wolf Biermann
Wolf Biermann: Dünn angerührt und dick aufgetragen.
— Peter Rühmkorf
Maxim Biller
Maxim Biller denkt flach und häßlich, und daher schreibt er ein flaches und häßliches Deutsch.
— Bloor Schleppey
Die Bloomsburys
In letzter Zeit hatte ich großen Ärger mit kleinen einfältigen Bloomsburys. Sie meinen alle, es sei mit wichtig, ob sie und Leute wie Desmond MacCarthy meine Lyrik mögen. Ist es aber nicht. Ich erwarte es nicht von ihnen. Sie haben alle ihre Instinkte wegzivilisiert. Sie können eine Sache nicht mehr von einer anderen unterscheiden – oder ein Gefühl von einem anderen. Sie haben nämlich auch ihre Sinne wegzivilisiert. Menschen, die nur ´intellektuell´ sind, stellen eine schreckliche Plage für den Künstler dar.
— Edith Sitwell
Heinrich Böll
Der Böll war als Typ wirklich Klasse.
Da stimmten Gesinnung und Kasse.
Er wär’ überhaupt erste Sahne,
wären da nicht die Romane.
— Robert Gernhardt
Rudolf Borchardt
Er hat sich auf einen Turm von Lüge gestellt, um von der verlogenen Menge seiner Zeit gesehen zu werden.
— Walter Benjamin
So sieht das eben aus, wenn ein Jude ein klassischer deutscher Dichter werden will.
— Werner Kraft
Ein Individuum, so pappig, würde mans an die Wand schmeißen, so würds kleben bleiben.
— Stefan George
Ludwig Börne
Börne kann nicht schreiben, eben so wenig wie ich oder Jean Paul.
— Rahel Varnhagen
Ein Arschgesicht.
— Johann Wolfgang Goethe
Bertolt Brecht
Brecht lebte das kalte Prinzip der Zweckmäßigkeit, das brutale Primat seiner Produktivität über so wacklige Werte wie Freundschaft, Liebe und Solidarität. Nach Jahren des Exils in Dänemark, Schweden und Finnland durchquerte er fluchtartig die heißgeliebte Sowjetunion. Keins seiner Jubelgedichte über Stalins Vaterland aller Werktätigen hielt ihn im Land des “Großen Oktober der Arbeiterklasse”.
— Wolf Biermann
Bettina von Arnim
Sie will nicht begreifen, daß, wenn sie einem eine Faust voll Rosen stets an die Nase drückt, man nur das Ersticken fürchtet und nicht weiter beachtet, daß es durch Rosen geschieht!
— Karl August Varnhagen von Ense
Clemens Brentano
Ja, der Brentano, das war auch so einer, der gern für einen ganzen Kerl gegolten hätte! Er stieg vor Sophiens Wohnung am Weinspalier bis ans Fenster hinauf bei nächtlicher Weile, um die Leute glauben zu machen, es wäre viel dahinter, damit es fein hitzig aussähe mit der Liebe. Aber es war und wurde nichts. Zuletzt warf er sich in die Frömmigkeit, wie denn überhaupt die von Natur Verschnittenen nachher gern überfromm werden, wenn sie endlich eingesehen haben, daß sie anderswo zu kurz kamen und daß es mit dem Leben nicht geht. Da lob ich mir meine alten ehemaligen Kapuziner: die fraßen Stockfisch und vögelten in einer Nacht!
— Johann Wolfgang Goethe
Erzwindbeutel
— Johann Heinrich Voss
André Breton
Wenn André Breton zufällig gerade für Hammelhaxen in Sauce béarnaise schwärmt, dann können Sie darauf gefaßt sein, daß das bald ein durch und durch revolutionäres Gericht genannt wird.
— Max Morise
Er verschwendete fast all seine Zeit und Energie auf Unterhandlungen, Telefonate und geheime Zusammenkünfte. Er war das, was ich einen Schriftstellerstrategen nenne. Im Jahr 1924 hatte er noch nicht mehr als drei Broschüren veröffentlicht, eine davon in Zusammenarbeit mit Philippe Soupault. Mit diesem mageren Gepäck konnte er niemandem imponieren, es sei denn in einer Amtsstube. Statt auf die Entwicklung seines Talents zu vertrauen, versuchte Breton, der sich seiner Grenzen zweifellos bewußt war, die Leute zu manipulieren. Man findet zu jeder Zeit solche Schriftsteller, die unter dem Vorwand, die Ideen einer Generation theoretisch zusammenzufassen, das Erarbeiten eines eigenen Werks durch die Kontrolle anderer zu ersetzen… Aber ich glaube nicht, daß es in der Literaturgeschichte ein ähnliches Beispiel von diktatorischer Machtausübung gibt, abgesehen vielleicht von der Académie Française, die in ihren Anfängen Bannflüche über Molière und Corneille verhängte. Breton steuerte seinen Surrealismus mit den Methoden der Inquisition. Er überwachte seine Freunde bis ins kleinste. Wenn man ihn im “Certa” an einem Mandarin-Curaçao nippen sah, bedurfte es des Mutes, ja der Tollkühnheit, sich ein Glas Rotwein oder ein Bier zu bestellen.
— Claire Goll
Hermann Broch
Ich bin dafür, den aufgeblasenen Hermann Broch zu entlarven als literarischen Höchststapler.
— Alfred Döblin
William S. Burroughs
Auch ich halte Kälte, Grausamkeit, Perversion, Obszönität für Eigenschaften der künstlerischen Konstitution. Aber ich bin allergisch gegen den latenten Faschismus eines Teils der Avantgarde. Ich liebe Queneau, ich hasse Burroughs!
— Alfred Andersch
Naked Lunch
Das Phänomen der Wiederholung weckt natürlich Langeweile; viele Leser beklagen, daß sie durch Naked Lunch nicht durchkommen. Und/oder daß sie das Buch ekelerregend finden. Es ist ekelerregend, und manchmal ermüdend, und oft beides zugleich. Die Dominanz von Anus, Fäkalien und aller anderen Arten von “grauenvollen” Ausscheidungen, wie die Romanfiguren sagen würden, aus den Körperöffnungen, wird einfach zu viel des Schlechten, wie die sadomasochistischen Sex-Praktiken – die Auto-Ejakulation eines gehenkten Mannes ist nicht jedermanns Aphrodisiakum. Ein Leser, dessen erotische Zonen milder temperiert sind als die des Autors, fängt an, entweder sich für spießig zu halten (ein Schuldgefühl, das er nicht aufkommen lassen sollte) oder für den Gefangenen eines freudlosen Süchtigen.
— Mary McCarthy
Giacomo Casanova
Man weiß nicht, woher er kommt, es heißt, er sei ein Bastard. Er ist gut gebaut, hat eine dunkle Hautfarbe, beträgt sich gestelzt und ist von schier unglaublichem Selbstbewußtsein. Eines der Gestirne, die in der Gesellschaft leuchten, ohne daß man wüßte, woher sie ihren Glanz haben und wovon sie leben, noch dazu, ohne zu arbeiten, ohne Amt, ohne Vermögen. (…) Er ist stets gepflegt wie ein Narziß, er plustert sich auf: ein Ballon ist nicht praller, Windmühlenflügel rotieren nicht eifriger. Unentwegt schleicht er sich irgendwo ein, macht den Frauen den Hof, nimmt günstige Gelegenheiten wahr, verschafft sich Geld und bedient sich seiner Erfolge in der Liebe, um vorwärts zu kommen. Bei den Geizhälsen spielt er den Alchimisten, bei den schönen Frauen den Schöngeist, bei den großen Männern den Politiker – alles mit jedem. Aber wenn man vernünftigen Stimmen trauen darf: es gelingt ihm nichts, er macht sich nur lächerlich.
— Pietro Chiari
Louis-Ferdinand Céline
Er ist ein primärer Spucker und Kotzer. Er hat ein interessantes elementares Bedürfnis, auf jeder Seite, die er verfaßt, mindestens einmal je Scheiße, Pisse, Hure, Kotzen zu sagen. Worüber, ist nebensächlich. Im zweiten tat er es gegen die Sowjets u. gegen die medizin. Facultäten. Jetzt also gegen die Juden. Es ist seine Ausdrucksart, seine Methode. Im nächsten Band wird es die Küstenschiffahrt oder die Behandlung der Gärtnerlehrlinge sein. Primärer Kotzer. Garnicht anders zu erklären… Der Schluß war ja schwach und deutete von vornherein auf Persönlichkeitsschwäche. Er fand kein Ende u. fand auch nicht mehr weiter u. schnatterte drauflos!
— Gottfried Benn
Was für ein erbärmlicher Mensch und was für ein großer Schriftsteller!
— Péter Esterházy
Matthias Claudius
Von Claudius weiß ich durchaus nichts zu sagen, er ist eine völlige Null.
— Wilhelm von Humboldt
Jean Cocteau
Er parodierte sich selbst, um seinen Ruf zu wahren. Als Unterhaltungsmaschine der oberen Zehntausend, Poet im Dienst auf mondänen Cocktailpartys führte er seine sanfte Melancholie brillant spazieren. Im Laufe der Jahre machte er sich mehr und mehr bewußt, daß er ein Blender war. Zu intelligent, um nicht zu wissen, daß er eigentlich nichts zu sagen hatte, gab er sich Mühe, dieses Nichts wenigstens gut zu sagen. Und da er nicht wußte, was ihm noch bevorstand, beeilte er sich, seinen gegenwärtigen Ruhm auszukosten.
— Claire Goll
Cocteau ist ein Mann von fabelhafter Cleverness, aber nicht ernstzunehmen. Er ist nur ein Mondäner, der des gesellschaftlichen Erfolgs wegen sich selbst ausbeutet, und das kann er. Sein ´jugendlicher´ Stil ist nur ein Trick. In den ersten drei Kriegsjahren veröffentlichte er Gedichte, die fast von Lamartine hätten geschrieben sein können.
— Aldous Huxley
Jean Cocteau, sagt man, hat sein Leben nach “Das Bildnis des Dorian Gray” angelegt. Wenn dem so ist, kann man nur annehmen, daß “Der Doppeladler” von Albrights Porträt geschrieben wurde. Diese schwülstige und finstere Geschichte in altmodisch royalistischer Manier legt den Gedanken nahe, daß es im Dachstübchen von Cocteaus Geist nicht so smart zuging wie in den Empfangszimmern: da las ein Schulmädchen nur die ganze Zeit Liebesgeschichten und probierte Kleider an.
— Mary McCarthy
John Cowper Powys
Ich langweile mich allerdings ziemlich… so sehr, daß ich sogar “Wolf Solent” las. Und das ist eine mächtige Erfahrung in Primitivität. Ich nehme an, die Herren Powys waren die ersten Schriftsteller, die es vorsätzlich darauf anlegten, ihre Leser zu langweilen, und wenn dem so ist, muß ich zugeben, daß dieser eine Bruder absolut erfolgreich ist. Es liegt auch so eine merkwürdige Schmutzschicht über dem ganzen Buch, die man gar nicht erklären kann. Ich bin sicher, daß er als Junge sich nie die Hände gewaschen hat, dafür aber Tinte trank und Mäuse in den Taschen hatte.
— Edith Sitwell
Dante Alighieri
Divina Commedia
Die scholastisch zerebralen Ästhetenhimmel und pedantischen Sadistenhöllen eines monoton klangreichen Lyrikers.
— Albert Ehrenstein
Charles Dickens
Man muß ein Herz aus Stein haben, um den Tod von “Little Nell” zu lesen, ohne zu lachen.
— Oscar Wilde
Dichter
Der wahre Dichter ist seiner Zeit verfallen, ihr leibeigen und hörig, ihr niedrigster Knecht. Ja, wenn es nicht den Beigeschmack des Lächerlichen hätte, würde ich einfach sagen: er ist der Hund seiner Zeit. Er läuft über ihre Gründe hin, bleibt hier stehen und dort; willkürlich scheinbar, doch unermüdlich, für Pfiffe von oben empfänglich, nur nicht immer, leicht aufzuhetzen, schwerer zurückzurufen, von einer unerklärlichen Lasterhaftigkeit getrieben; ja, in alles steckt er die feuchte Schnauze, nichts wird ausgelassen, er kehrt auch zurück, er beginnt von neuem, ist unersättlich; im übrigen schläft und frißt er, aber nicht das unterscheidet ihn von den anderen Wesen, was ihn unterscheidet, ist die unheimliche Beharrlichkeit in seinem Laster, dieses von Laufen unterbrochene innige und ausführliche Genießen; so wie er nie genug bekommt, bekommt er es auch nicht rasch genug; ja es ist, als hätte er für das Laster seiner Schnauze eigens laufen gelernt.
— Elias Canetti
Alfred Döblin
Unsere Werke werden die natürlich einfache proletarische Sprache bekommen, Geruch und Färbung, wie sie wirklich dem Proletariat eigen sind, eine Stoffmasse wird da sein, die wertvollste und reichhaltigste, die wir nur finden können – und unsere Dichter werden es bestimmt nicht nötig haben, wenn sie einen Roman ‘Berlin Alexanderplatz’ schreiben, in einer trotz ihrem Ultrarealismus ganz unrealistischen Methode zu arbeiten, nur um eine wahnwitzige, lebensunfähige Konstruktion zu verdecken: der Transportarbeiter unseres Romans wird ein Klassenmensch, ein Transportarbeiter sein und nicht ein künstlich gepreßtes Laboratoriumsprodukt wie der ‘Transportarbeiter’ Döblin, der seinen Existenzbeweis dadurch zu erbringen sucht, daß er einen nachstenographierten Berliner Dialekt quatscht und sich verdächtig genug die Nummer jeder Elektrischen notiert, die über den Alex fährt. Wer sich so hemmungslos atomisieren läßt, sich in Details auflöst und glaubt, daß das Summieren dieser Details ein Ganzes ergibt – der schafft keine neue Kunstform, wie es die bürgerlichen Kritiker behaupten, die eben um jeden Preis ‘verklären’ müssen, sondern der bestätigt, wenn auch sehr gegen seinen Willen, daß die bürgerliche Literatur am Ende ist.
— Johannes R. Becher
Fjodor Dostojewskij
Dostojewskij ist der Pickel auf der Nase der russischen Literatur.
— Iwan Turgenjev
Ich für meinen Teil kann dieses ‘innerliche’ kotzige selbstquälerische kranke Zeug nicht lesen. Dostojewski war ja reiner Epileptiker – ich denke, das merkt man. Aber in diesen großen Rahmen ‘Weltliteratur’ – nein, in den nicht. In 20 Jahren ist er vergessen. Krankenhaus Spezial Litteratur. Außerdem hat er nicht den ‘russischen’ Menschen beschrieben, lediglich nur den kranken epileptischen Dostojewski – seine Russen sind immer nur er selbst, und er war kein ‘typischer’ Russe – sondern ein typischer Selbstquäler, Hypochonder, Hämorrhoidarier – und das hat man lange Zeit für ‘russisch’ gehalten. Nebenbei ist Dostojewski noch langweilig, wie immer die, die nur von sich und ihren Weh-wehchen erzählen. Dostojewski – Seelengeschmuse für höhere Töchter.
— George Grosz
“Verbrechen und Strafe” ist ein eigenartiger Titel für ein Buch, in dem es weder Verbrechen noch Strafe gibt.
— James Joyce
Alexandre Dumas
Der Kopf von Dumas gleicht einem Gasthof, wo manchmal gute Gedanken einkehren, die sich aber dort nicht länger als eine Nacht aufhalten; sehr oft steht er leer.
— Heinrich Heine
Marguerite Duras
Der Liebhaber
Ein Schmockprodukt, wie es derzeit wirklich nur aus dem vergreisten Frankreich kommen kann. Und als Bestseller auch bei uns den Dummen das Geld aus der Tasche zieht. Zu Recht: Wer nicht lesen kann, soll zahlen.
— Eckhard Henscheid
Günter Eich
Herr Eich war in jenen Jahren 1 oder 2 x in der Bellealliancestr. bei mir. Erinnere mich nicht sehr deutlich. Schien mir reichlich epigonal. Wenn Sie es mir ersparen wollen, sein Buch lesen zu müssen, wäre ich Ihnen dankbar.
— Gottfried Benn
Hans Magnus Enzensberger
Daß Enzensberger, der sicher als Museumswärter seine größten Meriten hat, mit den Avantgarden auf Kriegsfuß steht, ist nichr weiter verwunderlich, teilt er diese haßvolle Abneigung doch mit dem Mainstream der west- wie ostdeutschen Nachkriegsliteratur.
— Thomas Kling
William Faulkner
Auch mich machte Faulkner nervös, so daß ich nicht weiter las. Ich bin mir aber unklar darüber, welches die Ursache war. Wahrscheinlich, wie Sie sagen, die Monumentalität der Diktion und das Familienhafte des Inhalts. Man will das ja garnicht so genau wissen von den alten Tanten u. Vorfahren.
— Gottfried Benn
Gustave Flaubert
Das Werk Flauberts ist nichts anderes als eine Projektion der Kamera. Flaubert war Photograph. Nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch. Aufgrund seines stattlichen Äußeren, des maskulinen Selbstbewußtseins, des stiernackigen Stolzes ist Flaubert der klassische Typ des Photographen: des Provinzphotographen.
— Alberto Savinio
Viele Schriftsteller schreiben ungefähr so, wie sie aussehen. Nicht alle, Flaubert schrieb hundertmal besser, als er aussah.
— Helmut Krausser
Er hat etwas Provinzielles und Angeberisches an sich. Sein Geist ist dick und bequem wie sein Körper. Die feinen Dinge scheinen ihn nicht zu bewegen. Er ist vor allem für die Pauke der Sätze empfänglich. Es gibt sehr wenig Ideen in seiner Konversation, und die werden mit Getöse und feierlich präsentiert. Sein Geist ist wie seine Stimme: deklamatorisch. Er ist plump, maßlos und ohne jede Leichtigkeit in allem, im Scherz, in der Karikatur, in der Imitation der Imitationen von Monnier. Seiner Ochsenheiterkeit fehlt der Charme.
— Edmond und Jules de Goncourt
Theodor Fontane
Seine Muse ist ein ältliches Stiftsfräulein mit Stielbrille & Lavendel im Pompadour.
— Arno Schmidt
E.M. Forster
Blätterte in “Howard‘s End” und fand es nicht gut genug. Forster kommt nie über das Wärmen der Teekanne hinaus. Darin ist er großartig. Fasse die Teekanne an. Ist sie nicht schön warm? Ja, schon, aber Tee wird es nicht geben.
Und man ist nie ganz sicher, ob Helene nun von Leonard geschwängert worden ist oder von seinem vergessenen Regenschirm. Wenn man alles genau überlegt, ist es wahrscheinlich der Regenschirm gewesen.
— Katherine Mansfield
Erich Fried
Man sollte keine Jagdscheine verteilen, dafür sind wir nicht zuständig: Von dem Leben der Emigranten können wir uns keine Vorstellung machen. […] Ich glaube, Erich Fried hat zweiunddreißigtausend Gedichte geschrieben. Ich habe leider kein einziges lesen können. […] Man darf es nicht aussprechen, daß seine Gedichte unerträglich sind. Wenn man es doch tut, kriegt man einen Punkt in Flensburg. 21 Dramen von Shakespeare hat er übersetzt. Warum bloß?
— Walter Kempowski
John Galsworthy
Galsworthy, diese kapitalistische Fregatte, über dessen Familientragödien heute bereits die Backfische lachen.
— Gottfried Benn
Gabriel García Márquez
Es ist ein Jammer, daß viele Bücher gegen Ende abfallen. Bei “Hundert Jahre Einsamkeit” zum Beispiel: 80 Jahre hätten es auch getan.
— Jorge Luis Borges
Stefan George
Die höchste Sensation des modernen Literaturjahrmarktes. Der raffinierteste Grotesktänzer der zeitgenössischen Lyrik.
— Otto Julius Bierbaum
Renaissance-Epigone.
— Rudolf Borchardt
André Gide
Wenn Sie zehn Minuten lang laut André Gide lesen, fangen Sie an, übel aus dem Mund zu riechen.
— Francis Picabia
Ob wohl eines Tages die ungeheuerliche Blödheit von Gides Tagebuch bemerkt werden wird? Dieser Wust von Lügen und Tändelei, der vorgibt, die Wahrheit zu sagen, und nicht über das Pittoreske hinausgelangt … ein besonders trostloses Herbarium, eine höchst unbedeutende Sammlung von getrockneten Pflanzen, mit lateinischen Namen versehen.
— Jean Cocteau
Johann Wolfgang Goethe
Nicht halb so bedeutend, wie Ihnen in der Schule – wozu auch Universitäten gehören – eingeredet wurde; vielmehr bewußt ‘aufgebaut’, bis heute. 20 % des OEuvre, höchstens, sind gut; aber mit neuen ‘Gesamtausgaben’ sollte man den Büchermarkt nicht mehr belasten: weniger Goethe!
— Arno Schmidt
Ich finde, Goethe ist dort am klassesten, wo er a Sau iss.
— Gerhard Rühm
Der größte deutsche Dichter? Der junge Goethe, ehe er Frankfurt verließ.
— Ludwig Tieck
Goethe hatte eine ungeheuer hindernde Kraft, er ist ein grauer Star im deutschen Auge. Seit ich fühle, habe ich Goethe gehaßt, seit ich denke, weiß ich warum.
— Ludwig Börne
Und Herr Goethe, was ist das für ein Mensch! Welcher Hochmuth, welche Hoffarth! Jetzt läßt er alle seine Handzeichnungen, wie sie jeder aus seiner Jugend aufzuweisen hat, im Kupferstiche erscheinen. Der verkauft noch seine Windeln spannenweise! Pfui!
— Ludwig Börne
Es lassen sich auf dem Felde der Schriftstellerei zwar wichtigere Verdienste erwerben, als die seinen sind: aber auch diese sind nicht verächtlich. Wir besitzen von ihm etwa ein Viertelhundert gelungener Gedichte, ein Dutzend Dramen, von denen sich ein paar jährlich einmal ohne einzuschlafen ansehen lassen, ein nicht ganz schlechtes episches Gedicht, ein Paar Romane, die beide berühmt sind und von denen der eine auch gut ist – und ungefähr fünf bis sechs in verschiednen Schriften zerstreute gesunde Gedanken über schöne Kunst.
— Garlieb Merkel
Goethe ist im Grunde nichts anderes, als der Heilpraktiker der Deutschen, der erste deutsche Geisteshomöopath. Das ganze deutsche Volk nimmt Goethe ein und fühlt sich gesund. Aber Goethe ist ein Scharlatan, wie die Heilpraktiker Scharlatane sind, und die Goethesche Dichtung und Philosophie ist die größte Scharlatanerie der Deutschen. Allen verdirbt er den Magen, nur den Deutschen nicht, sie glauben an Goethe wie an ein Weltwunder. Dabei ist dieses Weltwunder nur ein philiströser philosophischer Schrebergärtner. Seine Theaterstücke sind gegen die Stücke Shakespeares beispielsweise so gegeneinander zu stellen wie ein hochgewachsener Schweizer Sennhund gegen einen Frankfurter Vorstadtdackel. Goethe ist der Totengräber des deutschen Geistes.
— Thomas Bernhard
Der Großmeister der Platitüde.
— James Joyce
Goethe hat in Deutschland die feuilletonistische Degeneration des Romans eingeleitet.
— Alfred Döblin
Was ist das für ein Gewäsch über den “Faust”! Alles erbärmlich! Gebt mir jedes Jahr 3000 Thaler, und ich will Euch in drei Jahren einen Faust schreiben, daß Ihr die Pestilenz kriegt!
— Christian Dietrich Grabbe
Ich korrigiere am Werther und finde, daß der Verfasser übel gethan hat, sich nicht nach geendigter Schrifft zu erschießen.
— Johann Wolfgang Goethe
Lyrik
Goethe? Den mag ich nicht. Seine Verse haben Brillen auf der Nase.
— Else Lasker-Schüler
Wahlverwandtschaften?
Qualverwandtschaften!
— Ludwig Tieck
West-östlicher Divan
Ein fauler Hering.
— Christian Dietrich Grabbe
Wilhelm Meisters Lehrjahre
Es sind seine Frauen darin alle von unschicklichem Betragen.
— Charlotte von Stein
Günter Grass
Ich möchte halt zu gern den Tag noch erleben, an dem Grassens “Blechtrommel” auf das reduziert wird, was sie von je war und als was sie jeder mittelbegabte heutige Leser ohne weiteres durchschauen müßte, unterzöge er sich der Mühe, diese Nachkriegsdeutschland wieder aufteufelkommraus an die Spitze manövrierende “Weltliteratur” (so der damalige ‘Zeit’-Feuilletonchef) kühlen Kopfs und gesetzten Gemüts noch einmal zu lesen: als einen Riesenschmonzes, bei dem vor lauter Barock und Allegorie und Realismus und Vergangenheitsbewältigung und Großmannssucht nichts, aber auch gar nichts stimmt. Die “Blechtrommel” ist ein Synthetikprodukt des wäßrigsten Zeitgeistes, das sich zu allem Überfluß auch noch genialisch gibt.
— Eckhard Henscheid
Günter Grass hat mir sehr höflich den “Butt” versprochen, aber er hat ihn dann nie geschickt, also brauchte ich ihn auch nicht zu lesen. Der Grass ist mir einfach zu wenig intelligent, um so dicke Bücher zu schreiben.
— Friedrich Dürrenmatt
Günter Grass im Fernsehen. So ein bißchen wie Hitler im Bunker der Reichskanzlei sieht er jetzt aus.
— Walter Kempowski
Wenn ich das Sieb der Zeit wäre, stünde Gerold Späth zwölfmal berühmter da als Günter Grass, und Botho Handke dreißigmal unbekannter als Eckhard Henscheid.
— Ulrich Holbein
Durs Grünbein
Der ist mir zu piefkös.
— C. Artmann
Peter Handke
Im vorgezogenen Spiegel langes Interview mit Handke: ein öffentliches Sichwichtignehmen, das der Belanglosigkeit seines blinden Reiselebens auf spiegelverkehrte Weise entspricht. Verwöhntes Kerlchen, das seine Gereiztheiten als innere Verwerfungen ausstellt. Und die Szenenberichterstattung mal wieder nicht an der Seite von Büchern, die es schwer haben, sondern von Leichtgewichten, die sich dicke tun.
— Peter Rühmkorf
Wir haben uns nur ein einziges Mal getroffen, und es war ein eher freundschaftliches Gespräch. Er hat mir da von seiner Art zu schreiben erzählt: Er legt immer ganz enge Jeans an, damit er sein Geschlecht fühlt, und zieht sich nach Möglichkeit auch sein Hemd aus, und so wird sein Schreiben vital. Immer wenn ich seine Sachen lese, sehe ich ihn in diesen engen Jeans und mit nacktem muskulösem Oberkörper an seinen gewaltigen Werken sitzen. Ich hab’ beim Schreiben am liebsten immer weite Hosen an.
— Peter Schneider
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Hegel ist ein plumper Scharlatan und seine Lehre eine philosophische Scharlatanerie. Der Grundgedanke seiner Afterweisheit war eine philosophische Hanswurstiade. Er ist eine philosophische Ministerkreatur, ein geistiger Kaliban, eine bestia trionfante, ein frecher Unsinnschmierer, ein Papier-, Zeit- und Kopfverderber. Das unsinnige Geschwätz erinnert an Deliramente der Tollhäusler, ein physisch wirkendes Vomitiv.
Hegel hat einen verdummenden, man könnte sagen pestilenzialischen Einfluß auf die Philosophie und damit auf die Deutsche Literatur gehabt. Hegel hatte eine solche Bierwirtsphysiognomie, daß die Deutschen schon an dieser hätten erkennen können, was ein Alltagsmensch er war. Die ganze Literaturgeschichte, alter und neuer Zeit, hat kein Beispiel von falschem Ruhme aufzuweisen, welches dem der Hegel‘schen Philosophie an die Seite zu stellen wäre. Nie und nirgends ist das ganz Schlechte, das handgreiflich Falsche, ja offenbar Unsinnige mit solcher Frechheit als die höchste Weisheit gepriesen worden, wie jene Afterphilosophie.
— Arthur Schopenhauer
Martin Heidegger
Auf Heidegger habe ich mal zwei–drei kostbare Lebenswochen verwendet, die Zeit tut mir immer noch leid.
— Peter Rühmkorf
der ruf ins sein. ein heimatroman.
— Reinhard Priesnnitz
Ein Foto von Heidegger damals: ein Hitler der geistigen Sphäre.
— Martin Buber
Heinrich Heine
Ohne Heine kein Feuilleton. Das ist die Franzosenkrankheit, die er uns eingeschleppt hat. Wie leicht wird man krank in Paris! Wie lockert sich die Moral des deutschen Sprachgefühls! Heinrich Heine hat der deutschen Sprache so sehr das Mieder gelockert, daß heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern können. Mit leichter Hand hat Heine das Tor dieser furchtbaren Entwicklung aufgestoßen.
— Karl Kraus
Sehr nett zu lesen (sehr nett zu vergessen).
— Arno Schmidt
Helmut Heißenbüttel
Bei dem seinen Textbüchern steht doch nur links oben eine Art Gedicht, der Rest der Seite ist leer, steht doch nichts druff.
— Arno Schmidt
Lillian Hellmann
Every word she writes is a lie, including and and the.
— Mary McCarthy
Ernest Hemingway
Bemerkungen sind noch keine Literatur.
— Gertrude Stein
Hermann Hesse
Langweilige Limonade.
— Alfred Döblin
Paul Heyse
Haben Sie jemals Zuckerwasser getrunken?
— Arno Schmidt
Friedrich Hölderlin
Seine gräßlich langen Oden sind überflüssig.
— Gottfried Benn
Gestern ist auch Hölterlein bey mir gewesen, er sieht etwas gedrückt und kränklich aus, aber er ist wirklich liebenswürdig und mit Bescheidenheit, ja mit Ängstlichkeit offen. Er ging auf verschiedene Materien auf eine Weise ein, die Ihre Schule verrieth, manche Hauptideen hatte er sich recht gut zu eigen gemacht, so daß er manches auch wieder leicht aufnehmen konnte. Ich habe ihm besonders gerathen kleine Gedichte zu machen und sich zu jedem einen menschlich interessanten Gegenstand zu wählen. Er schien noch einige Neigung zu den mittlern Zeiten zu haben in der ich ihn nicht bestärken konnte.
— Johann Wolfgang Goethe
Victor Hugo
Victor Hugo war ein Wahnsinniger, der sich einbildete, Victor Hugo zu sein.
— Jean Cocteau
Henrik Ibsen
Die Frau vom Meer
Was ist die Frau vom Meer? Ich weiß es nicht, ich weiß es einfach nicht, denn die Frau vom Meer redet göttlichen Kohl. – Nein, das ist doch ein Buch für Deutsche, für Leute, die schon Übung darin haben, tiefsinnige Dichtungen zu lesen. Ibsen hat ein Buch geschrieben, das reicht; seine ganze Gemeinde nimmt Platz, um abergläubisch auf seine Worte zu starren und sie vortrefflich dunkel zu finden. Und die Deutschen weiden sich und reiben sich die Hände – ah wunderschön! Und ich nehme auch Platz, um zu lesen, und ich lese und lese und stoße gewaltig mit Kometen zusammen, und ich lese die Kometen, und ich versuche, sie zu singen, und ich sage verzweifelt: Hol dich der Teufel, sprich doch deutlich, Mensch! – Nein, das Buch löscht alle meine Lichter.
— Knut Hamsun
Nora, oder ein Puppenheim
Nora ist die größte Quatschliese, die je von der Bühne herab zu einem Publikum gesprochen hat.
— Theodor Fontane
Hanns Henry Jahnn
Perrudja
Es ist Heimatkunst der analen Zone.
— Walter Benjamin
Jean Paul
Jean Paul wusste sehr viel, aber hatte keine Wissenschaft, verstand sich auf allerlei Kunstgriffe in den Künsten, aber hatte keine Kunst, fand beinahe Nichts ungenießbar, aber hatte keinen Geschmack, besass Gefühl und Ernst, goss aber, wenn er davon zu kosten gab, eine widerliche Thränenbrühe darüber, ja er hatte Witz, – aber leider für seinen Heisshunger darnach viel zu wenig: weshalb er den Leser gerade durch seine Witzlosigkeit zur Verzweiflung treibt. Im Ganzen war er das bunte starkriechende Unkraut, welches über Nacht auf den zarten Fruchtfeldern Schiller‘s und Goethe‘s aufschoss; er war ein bequemer guter Mensch, und doch ein Verhängnis, – ein Verhängnis im Schlafrock.
— Friedrich Nietzsche
Sooft ich ein paar Seiten im Jean Paul lese, überkommt mich ein Ekel und ich muß das Buch weglegen.
— Johann Wolfgang Goethe
Juan Ramón Jiménez
Platero und ich
Wir empfinden es als unsere Pflicht, Ihnen mitzuteilen, ganz uneigennützig natürlich – daß uns Ihr Werk als zutiefst unmoralisch, hysterisch, willkürlich anwidert. Ganz besonders gilt das, Scheiße!, für Ihren “Platero und ich”, der uneselhafteste Esel, der hassenswerteste Esel, der uns jemals begegnet ist.
Scheiße!
Hochachtungsvoll!
— Luis Buñuel
— Salvador Dali
James Joyce
Joyce, der sein Leben lang diese eine literarische Methode herunterklappert, die ein wirklicher Genialer in einem Buch realisiert und für die Öffentlichkeit klargestellt hätte.
— Gottfried Benn
Ich lese jetzt Joyce, und mein Eindruck nach 200 von 700 Seiten ist, daß der arme junge Mann nur ein Spatzenhirn hat, sogar im Vergleich zu George Meredith. Ich glaube, wenn man die Bedeutung einer Seite von Joyce wöge, so wäre sie zehn Mal leichter als die einer Seite von Henry James.
— Virgina Woolf
Ernst Jünger
Katastrophal! Weichlich, eingebildet, wichtigtuerisch u. stillos. Sprachlich unsicher, charakterlich unbedeutend. … Es hat in genügender Menge das Mulmige, ohne das die Deutschen den Geist nicht ertragen, das Gedrückte, leicht religiös Gefärbte, das den Autor so unangenehm harmlos u. achtenswert macht, die Klarheit u. Schärfe des durchbrechenden Genies mangelt ihm völlig, jede Latinität: – kurz: Timmendorfer Strand contra Portofino.
— Gottfried Benn
Ernst Jünger ist eher auf einer Linie zu sehen mit Albert Speer oder dem Großadmiral Dönitz als mit irgendeinem vergleichbaren Schriftsteller. Und wenn er bei einem seiner höheren Geburtstage mit Empfang auf der Solitude bei Stuttgart gesteht, er komme sich eher wie ein General denn wie ein Autor vor, so ist das nur eine korrekte, wenn auch verhohlene Selbsterkenntnis. Er ist der schriftstellernde Militär geblieben, als der er anfing, und das nicht zu sehn, war auch mein Versagen.
— Helmut Heissenbüttel
Ein geistiger Wegbereiter und eiskalter Wollüstling der Barbarei.
— Thomas Mann
Walter Kempowski
Ich bin der Sonnyboy der deutschen Gegenwartsliteratur. Ein hingeschissenes Fragezeichen.
— Walter Kempowski
Das Echolot
Das ist eine Form der Klebearbeit mit Pinsel und Leim. Ich schätze Kempowski durchaus, aber das Theater, das man um diese Collage gemacht hat, habe ich nie begriffen, weil ich selber collagiere. Ich schneide mir sehr viel aus Zeitungen aus, und das bringe ich auch noch fertig, wenn ich halb verblödet bin … oder besoffen.
— Lothar-Günther Buchheim
Heinrich von Kleist
Die “Hermannsschlacht” ist inhaltlich gräßlich und auch sprachlich wenig bedeutend.
— Werner Kraft
Friedrich Gottlieb Klopstock
Mit größerer Majestät ist wohl noch nie ein Verstand stillgestanden.
— Georg Christoph Lichtenberg
S.H. Herrn
G. Klopstock, Superintendent
Schul-Pforta
bei Naumburg/Saale.
Sehr geehrter Herr!
Anbei den Messias zurück.
Ihr Arno Schmidt
— Arno Schmidt
Als der “Messias” raus ist, kann Klopstock sich Ernsthafterem zuwenden.
— Arno Schmidt
Karl Kraus
Er zerpflückt die Journalisten wunderbar; nur ein gerissener Wilddieb kann so ein strenger Waldhüter sein.
— Franz Kafka
Was soll ich von ihm halten? Ein Revolverjournalist.
— Rudolf Borchardt
Dieser trostlose Karl-Kraus-Komplex also, der jeden etwas mehr als durchschnittlich intelligenten Schreiber eine pubertäre Phase lang plagt, aber mit dem man doch bitte nicht lebenslänglich hausieren geht, weil der Feind nicht das falsche Deutsch, sondern das falsche Denken ist.
— Rainald Goetz
Günter Kunert
Ein Dichter, der August Stramm und Oswald von Wolkenstein nicht kennt, wird immer so schlecht wie Günter Kunert oder Rainer Kunze schreiben; der bleibt dann ewig ein provinzieller Seelenschwitzer, ein B-Dichter und Uwe-Johnson-Nachfolger.
— Gerhard Rühm
Else Lasker-Schüler
Ich kann ihre Gedichte nicht leiden, ich fühle bei ihnen nichts als Langeweile über ihre Leere und Widerwillen wegen des künstlichen Aufwandes. Auch ihre Prosa ist mir lästig aus den gleichen Gründen, es arbeitet darin das wahllos zuckende Gehirn einer überspannenden Großstädterin… Ja, es geht ihr schlecht, ihr zweiter Mann hat sie verlassen, soviel ich weiß, auch bei uns sammelt man für sie; ich habe 5 K. hergeben müssen, ohne das geringste Mitgefühl für sie zu haben; ich weiß den eigentlichen Grund nicht, aber ich stelle mir sie immer nur als eine Säuferin vor, die sich in der Nacht durch die Kaffeehäuser schleppt.
— Franz Kafka
Wilhelm Lehmann
Wenn ich ein Gedicht von Wilhelm Lehmann lese, denke ich immer, dagegen ist eine Schnecke ein Wirbeltier.
— Gottfried Benn
Sinclair Lewis
Ich habe gerade einen Freund, der eine Lady aus mir zu machen versucht, und der erste Schritt auf diesem beschwerlichen Weg ist, daß ich meinen Vorsatz einhalte, gewisse Worte nicht mehr zu benutzen … So kann ich Ihnen also nicht mehr mitteilen, daß ich “The Man Who Knew Coolidge”, ob das nun ein Porträt, Unterhaltung oder ein Beitrag zur amerikanischen Literatur sein soll, scheußlich finde. Das könnte ich sagen, wenn ich das Wort “scheußlich” benutzen dürfte. Die Frage der Ehre steht auf dem Spiel. Ich gab das feierliche Versprechen, nie mehr “scheußlich” zu sagen. “Scheußlich” ist kein schönes Wort für eine Lady. Es klingt beschissen.
— Dorothy Parker
Martin Luther
Luther ist im übrigen durch sein unglückliches Geschöpf: das mit jeder Strophe, kompositionslos und amorph, wieder von frischem einsetzende, die Erbauung der Gemeinde, also einen starren Zustand anstrebende Chorlied: viel eher der Totengräber der kirchlichen Poesie in Deutschland geworden als ihr Begründer; ja nur sektiererische Befangenheit kann übersehen, um wieviel die namenlose geistige Lyrik des alten Glaubens die gereimte Pastorengeschwätzigkeit des neuen dichterisch schlägt.
— Rudolf Borchardt
Klaus Mann
Klaus Mann würde sich in der hiesigen Kulturszene gut machen, eine Mischung aus Raddatz und Michael Krüger.
— Walter Kempowski
Klaus und Heinrich Mann
Ob Du schon weißt, in welchem Zeichen sich die literarische Emigration im Rahmen einer Amsterdamer Zeitschrift zu sammeln beginnt? Nun, genau in dem Zeichen, das ihr gebührt – nämlich unter der Chefredaktion von Klaus Mann. Sein Onkel eröffnet das Regime, dessen Hilflosigkeit schon provokatorisch wirkt. Auch den Tag sehe ich kommen, an welchem ich mich darum bewerben werde, in dieser Umgebung gedruckt zu werden.
— Walter Benjamin
Thomas Mann
Es liegt in unserer Natur, daß Sie vornehm, ich unvornehm kämpfe. Sie werden mich doch nicht umbringen wollen! Aber ich Sie.
— Bertolt Brecht
Er soll nach Zeitungsnotizen vor einigen Tagen an einer Venenentzündung in einem Örtchen bei Zürich, in Kirchberg, gestorben sein, alt etwas über 80 Jahre! ich könnte achselzuckend darüber hinweggehen, da ich schon vorher für seine schriftstellerische Existenz nur ein Kopfschütteln und Achselzucken, manchmal auch ein wirkliches Staunen gehabt habe… Wir, d.h. eine Schar lebendiger und wirklich als Person existierender Schreiber hatten nicht nötig und fühlten uns nicht veranlaßt, mit diesem Geschöpf abzurechnen. Es gab diesen Thomas Mann, welcher die Bügelfalte zum Kunstprinzip erhob… und mehr brauchte man von ihm nicht zu wissen.
— Alfred Döblin
Der Zauberberg
Der Zauberberg fesselt mich durch souveräne Mache.
— Walter Benjamin
Der Zauberberg
Dieses Buch stellt etwas dar, was es nur heute gibt: Ersatzkunst, an die Meisterschaft gewendet ist. Das müßte eine souveräne Kritik (die es nicht gibt) einmal zeigen. Das Eigentliche der Kunst beginnt erst, wo Wesen und Wirkung eines solchen Buches aufhören.
— Werner Kraft
Robert Musil
Er ist ein König im Papierreich.
— Hermann Broch
Vladimir Nabokov
Wenn man Nabokovs Beschreibungen liest, versteht man, warum er Robbe-Grillet für einen großen Autor hält.
— Gore Vidal
Mathias Nolte
“Großkotz”: So ein grauenvolles Buch. Es ist überhaupt nicht zu fassen. In dem ganzen unfaßbar grauenvollen Buch ist ein einziger schöner Satz, und der ist schnell zitiert: “Er lachte wie ein Maikäfer.” Man kennt das ja: Spätestens Ende April ertönt landauf, landab dies schallende Gelächter, zuerst keckernd nur, dann immer froher, bis es richtig lauthals ist und es Zeit wird für die Maikäferplage. So ein grauenvolles Buch. Es ist überhaupt nicht zu fassen.
— Harry Rowohlt
Ovid
Er scheint mir durchaus ein Mann von großem Talent gewesen zu sein, aber zügellos, schlüpfrig und weibstoll, den der Verkehr mit Frauen so ergötzte, daß er darein das höchste Ziel seiner Glückseligkeit setzte. Daher schrieb er die Liebeskunst, ein aberwitziges Werk, und, wenn ich mich nicht täusche, die verdiente Ursache seiner Verbannung.
— Petrarca
Bert Papenfuß
Gequirlter Stumpfsinn. Der Giftpilz Karl Kraus dachte über solche verwelkten Musenjünglinge: Man darf nicht nur keine Ideen haben, man muß auch unfähig sein, sie auszudrücken. Originale Prenzlpoesie: seichte Wortspielereien, an denen gemessen der Blödl-Jandl in Wien ein Poet mit tiefsinnigem Witz ist. Papenfuß ist der Sohn eines DDR-Generals. Dafür kann er nichts. Aber was dieser General mit den armen Rekruten gemacht hat, das macht sein Söhnchen mit den armen Worten.
— Wolf Biermann
Edgar Allan Poe
Oh, Edgar Poe, he is such a bad writer. He is only good because Baudelaire translated him.
— Edward Gorey
Der Rest der Welt
Thomas Mann, “Tod in Venedig”: erschlafft.
Boris Pasternak, “Doktor Schiwago”: melodramatisch und miserabel geschrieben.
Cervantes’ “Don Quichote”: Grausam und grob.
Albert Camus: scheußlich.
T.S. Eliot: nicht ganz erstklassig.
Ezra Pound: entschieden zweitklassig.
— Vladimir Nabokov
Rainer Maria Rilke
Ich erstaune in Rilkes Gedichtbänden, die ich in der letzten Zeit öfter in den Händen hatte, über die höchst widerliche und abscheuliche Vermischung der schlechtesten und verlogensten mit den besten und tiefsten Gedichten.
— Gersholm Scholem
Wie erscheinen mir heute Rilkes Briefe, die ich früher aufs höchste schätzte, blutleer und fad! Nicht eine einzige Anspielung auf das Schäbige der Armut ist darin enthalten. Sie wurden für die Nachwelt geschrieben, ihre “Erhabenheit” ekelt mich an. Die Engel werden darin neben die Armen gestellt. Zeugt es nicht von Unverfrorenheit oder von berechnender Naivität, wenn in den Briefen an Herzoginnen darüber geschwatzt wird? Den reinen Geist spielen grenzt an Schamlosigkeit. Ich glaube nicht an Rilkes Engel, noch weniger an seine Armen. Diese sind zu “vornehm”, ihnen geht der Zynismus, das Salz des Elends, ab.
— E.M. Cioran
Rilke ist eine Null, der einige sehr schöne Gedichte gelungen sind.
— Werner Kraft
Joachim Ringelnatz
Ich bezweifle nicht, daß Ringelnatz als Mensch von ganz außerordentlichem Interesse war. Als Dichter aber scheint er Goethes Meinung gewesen zu sein: Lieber NICHTS schreiben, als nicht zu schreiben.
— Samuel Beckett
Peter Rühmkorf
Peter Rühmkorf hat es mit der Eleganz eines Kartoffelsacks immer geschafft, die Kellertreppe hinunterzupoltern.
—Thomas Kling
George Sand
Madame Sand ist sehr gütig, aber zu gütig, zu andächtig, zu demokratisch und zu evangelisch.
— Gustave Flaubert
Sie ist äußerst liebenswürdig gewesen und voll des Lobes für uns. Aber all dies mit einer Art trübsinniger Einfalt, einer Seichtheit des Ausdrucks, einer Blödigkeit der Anschauungen, die frieren macht wie eine nackte Mauer. Die Banalität in ihrem Paroxysmus!
— Edmond und Jules de Goncourt
Jean-Paul Sartre
Ich sah kürzlich die weltberühmten “Fliegen” – mein Gott, wie banal muß alles werden, um der Masse u. der Presse einzugehen u. als tief zu gelten. Ich verstehe nicht, wieso hier überhaupt von Existentialismus geredet werden kann, das Stück ist ein Oberlehrerdrama, u. Orest läuft vom tumben August über Heydrich bis Prometheus u. läßt Sie in allen Masken kalt.
— Gottfried Benn
Paul Scheerbart
Es gehört zur Fülle der Literatur, daß es auch derlei bunte Projekteure mit beschränkter Haftung gibt.
— Arno Schmidt
Friedrich Schiller
Was noch die sogenannten Idealdichter anbetrifft, so finde ich, daß sie fast nichts als Marionetten mit himmelblauen Nasen und affektiertem Pathos, aber nicht Menschen von Fleisch und Blut gegeben haben, deren Leid und Freude mich mitempfinden macht und deren Tun und Handeln mir Abscheu oder Bewunderung einflößt. Mit einem Wort, ich halte viel auf Goethe oder Shakespeare, aber sehr wenig auf Schiller.
— Georg Büchner
Daß Schiller heute, bei uns, der gesuchteste Drehbuchautor für Mord- und Räubergeschichten wäre, kann doch nur ein Denkfauler oder ein Germanist abstreiten.
— Arno Schmidt
Über ein Gedicht von Schiller “Das Lied von der Glocke” sind wir gestern mittag fast von den Stühlen gefallen vor lachen. Es ist à la Voß, à la Tieck, à la Teufel, wenigstens um des Teufels zu werden.
— Karoline Schlegel
Schiller sieht immer aus wie ein Dichter, der zu seinem Trauerspiel den fünften Akt sucht.
— Johann Blurus Schlepponius
Aber gegen Göthen bin ich und bleibe ich ein poetischer Lump.
— Friedrich Schiller
Arno Schmidt
So hatte ich bei Arno S. ein unbehagliches Gefühl, so Einer könne, wenn unsereiner ihn freundlich anspreche, ihm ins Gesicht spucken oder eine Ohrfeige geben. Das hat er denn auch getan. Er hat mir wie ein beleidigter Sechzehnjähriger geschrieben, für den jeder Ältere ein Trottel ist und der außerdem einen Revolver im Sack hat. Sogar daß ich ihn für etwas jünger hielt als er ist, hat ihn wie einen Konfirmanden beleidigt.
— Hermann Hesse
Diese intellektuellen Muskelmann-Posen widern mich an.
— Rolf Dieter Brinkmann
Arthur Schopenhauer
Ich glaube nicht, daß die Formel “Die Welt ist Wille” dieser Sachlage gerecht wird.
— Karl R. Popper
Ein Anekdotenbündel für den gebildeten Biertisch.
— Hermann Kinder
Johann Gottfried Seume
Seume schreibt unerträgliches Zeug voll Arroganz, Gemeinheit, Großthun im Nichts.
— Johann Gottfried Herder
Seumes Gedichte trüben meine Phantasie; so griesgrämisch, mißwollend, sansculottisch, nichts Höheres über sich anerkennen wollend mag ich die Dichter durchaus nicht.
— Johann Wolfgang Goethe
Spaziergang nach Syrakus
Seumes “Spaziergang” ist ein unerträgliches Zeug voll Arroganz, Gemeinheit, Großtun im Nichts; ein eitler Mensch, der etwas sein will, ein grober Bengel, der mit seinem Ränzel in den niedrigen Wirtshäusern durchgekrochen ist und von da aus die Städte und die Landesverfassung und die Sitten und den Charakter der Nation beurteilt und über die Ohren haut. Und dieser Grobian wird in den Himmel erhoben!
— Caroline Herder
William Shakespeare
Hamlet
Weit davon entfernt, Shakespeares Meisterwerk zu sein, ist dieses Stück vielmehr ein evidenter künstlerischer Fehlschlag. Man muß zugeben, daß Shakespeare sich hier an eine Sache herantraute, mit der er einfach nicht fertigwurde.
— T.S.Eliot
Ein Sommernachtstraum
Heute enden meine Gelübde betreffs Wein und Theater. So beschloß ich, mir eine Freiheit zu gönnen, bevor ich wieder damit beginne. Ging deshalb ins King´s Theatre, wo “Ein Sommernachtstraum” gespielt wurde, ein Stück, das ich noch nie gesehen habe und auch nie wieder sehen werde, denn es ist das geschmackloseste, lächerlichste Zeug, das ich mein Lebtag gesehen habe. Einige hübsche Tänze und ein paar hübsche Weiber waren das einzige, was mir Vergnügen machte.
— Samuel Pepys
Sonette
Die letzten dieser Sonette (so wie die 6 oder 8 ersten) sind wieder an ein Frauenzimmer gerichtet. Sie sind aber auch die schlechtesten, spitzig und kalt. Man merkt aus ihnen, daß das Frauenzimmer nichtsnutzig war und Shakespeare alt; also auch wieder eine widerliche Empfindung. Man sollte überhaupt diese Sonette auf sich beruhen lassen. Sie können Shakespeares Ruhm nichts beifügen und, aufs beste gedeutet, nur Bedauern erwecken. Vor allem soll man sie nicht übersetzen. Man überlasse sie den Literatoren, deren Straußenmagen alles verdaut.
— Franz Grillparzer
George Bernard Shaw
Bis jetzt ist Shaw noch nicht bedeutend genug, um Feinde zu haben, aber seine Freunde können ihn nicht ausstehen; das ist immerhin ein Anfang.
— Oscar Wilde
Johannes Mario Simmel
Ja, so müßte man schreiben können.
— Irmgard Keun
Edith Sitwell
Natürlich sind Sie eine gute Dichterin, aber mir fällt nicht ein, warum.
— Virginia Woolf
Gertrude Stein
Fall von klinischem Größenwahn.
— Tristan Tzara
Kalte Teigrolle von fabel-reptilienhafter Länge… Alles Fett, kein Nerv… Ihre Lebendigkeit von der Art der Meterwurst.
— Wyndham Lewis
Goll und ich gingen oft in Cocteaus Cabaret “Boeuf sur le Toit”, oder wir zeigten uns in literarischen Salons, die damals aus dem Boden schossen. Einer der meistbesuchten war der von Gertrude Stein, einem ungeheuren Weibsstück mit Herrenschnitt und der Figur eines Möbelpackers. Das Haus quoll von Picassos über, aber Gertrudes kostbarster Gegenstand lief auf vier Beinen – ein gespenstischer Pudel, der sich in einer Art Dauerekstase zu befinden schien. Er war weit über zwanzig Jahre alt, aber Gertrude Stein hielt ihn mit Verjüngungsspritzen am Leben. Wäre es ihr möglich gewesen, so hätte sie Herz- und Nierentransplantationen an ihm vornehmen lassen. Ihre Freundin Alice Toklas verbrachte die Hälfte ihrer Zeit damit, die Schritte des Pudels zu überwachen, der sich an allen Wänden und Besuchern rieb.
— Claire Goll
Laurence Sterne
Tristram Shandy
Nichts Ausgefallenes währt lange. Der Tristram Shandy hat sich nicht gehalten.
— Samuell Johnson
Adalbert Stifter
Der ‘Nachsommer’ liest sich, als wäre er von edlen Verblichenen für edle Verblichene geschrieben.
— Bloor Schleppey
Botho Strauß
Mal sehen, wer länger durchhält: Er mit seinem besinnungslos hyperblasierten und leuteverscheißernden Geseire: oder wir mit unserer Zwangsneurose, den Dreck doch immerhin und immer wieder gebannt zur Kenntnis zu nehmen.
— Eckhard Henscheid
Südamerikanische Literatur
Es wird ein Quotensystem eingeführt für erzählende Literatur, die in Südamerika spielt. Zweck dieser Vorkehrung die Ausbreitung von Pauschalreisen-Barock und faustdicker Ironie einzudämmen. Nein, dieses Nebeneinander von billigem Leben und teuren Prinzipien, von Religion und Banditentum, von überraschender Ehre und willkürlicher Grausamkeit; nein, dieser Daiquiri-Vogel, der seine Eier auf den Flügeln ausbrütet; nein, dieser Fredonna-Baum, dessen Wurzeln an den äußersten Spitzen seiner Zweige wachsen und vermöge dessen Fasern der Bucklige die hochmütige Frau des Hazienda-Besitzers auf telepathischem Wege schwängern kann; nein, dieses Opernhaus, das nun vom Dschungel überwuchert ist. Erlauben Sie mir, auf den Tisch zu pochen und “Ich passe” zu murmeln.
— Julian Barnes
Kurt Tucholsky
Einen unsterblichen Humoristen in Tucholsky zu sehen, das kriegen wiederum nur die lieben alten Kameraden fertig, diese unsterblichen Zeitgenossen, die den Unterschied zwischen den Tucholskys und Heine aus Kameradschaft (und weil sie schlechte Augen haben) nicht mehr sehen können.
— Mynona
Tristan Tzara
Tzara war ein Experte für Skandale, die er bewundernswert zu seinem alleinigen Nutzen auszuschlachten wußte. Immer aufgeregt und herausfordernd, verkniff er sich keinen Angriff, keine Beleidigung. Zum höheren Ruhme Dadas, das heißt seiner selbst, verschonte er niemanden. In ihm war eine Art geistiger Kannibalismus, der ihn trieb, jede Initiative an sich zu reißen. Dabei war er nichts als ein Windmacher, der schlecht französisch sprach und sich einen zusammenhanglosen Telegrammstil zugelegt hatte, um Wörter aneinanderzureihen, die richtig zu verbinden er unfähig war.
— Claire Goll
John Updike
Ich bin nicht eifersüchtig auf Updikes Erfolg. Ich wundere mich nur, daß man mit seinem Zeug Geld machen kann.
— Harold Brodkey
Voltaire
Ich langweile mich in Frankreich, hauptsächlich weil jedermann Voltaire ähneln möchte.
Emerson hat Voltaire in seinen “Repräsentanten der Menschheit” vergessen. Er hätte ein hübsches Kapitel schreiben können, betitelt: Voltaire oder der Antidichter, der König der Maulaffen, der Fürst der Oberflächlichen, der Antikünstler, der Prediger der Portiers, der Père Gigogne der Redaktoren des “Jahrhunderts”.
— Charles Baudelaire
Franz Werfel
Wenn ich sage, daß Franz Werfel Kitsch ist, dann muß ich zugeben, daß Edgar Wallace auch Kitsch ist. Aber das kann mich doch höchstens abhalten, den Werfel zu lesen. Den großen Wallace laß ich mir doch nicht nehmen!
— Bertolt Brecht
Franz Werfel
Franz Werfel war Dichter und wurde dann Erfolgsschriftsteller.
— Werner Kraft
Ich hasse Werfel, nicht weil ich ihn beneide, aber ich beneide ihn auch. Er ist gesund, jung und reich, ich in allem anders.
— Franz Kafka
Wolf Wondratschek
“Carmen oder bin ich das Arschloch der achtziger Jahre”: Wieso eigentlich erst der achtziger Jahre?
— Volker Kriegel
Virginia Woolf
Sie ist völlig unbedeutend… niemand nimmt sie heute mehr ernst.
— Wyndham Lewis
Carl Zuckmayer
Die komischste Begegnung, die ich hatte, war Zuckmayer in München. Da saß ich im Hotel Vier Jahreszeiten, etwas abseits saß Zuckmayer, und plötzlich erhob er sich und kam mit einer ungeheuer süßen Weinfahne zu mir herüber, stellte sich vor meinen Tisch und sagte: “Sie halten meine Stücke für Scheiße.” Darauf sagte ich: “Herr Zuckmayer, das haben Sie sehr gut formuliert.”
— Friedrich Dürrenmatt
Aus: Dichter beschimpfen Dichter. Ein Alphabet harter Urteile. Zusammengesucht von Jörg Drews & Co. Haffmans Verlag, Zürich 1990, und: Dichter beschimpfen Dichter II. Ebd, Zürich 1992.
Neuausgabe: Dichter beschimpfen Dichter. Die endgültige Sammlung literarischer Kollegenschelten. Haffmans Verlag bei Zweitausendeins, Frankfurt a. M. 2006.