Jörg Drews: Zwischen Traditionalismus und Internet. Zur Beschleunigung von Literaturkritik
Totgesagte leben länger. Der Rezension, ohnehin ja ein − von wenigen Ausnahmen abgesehen − eher poveres Genre, stellte Hans Magnus Enzensberger vor einigen Jahren einmal wieder den Totenschein aus. Doch das Rezensionswesen geht weiter, und keineswegs nur als das Treiben von Untoten, sondern als ein Genre, für das noch niemandem ein Ersatz eingefallen ist. Zwar ist die durchschnittliche Buchbesprechung, donnerstags, samstags oder montags in den entsprechenden Blättern zu lesen, selten sehr inspiriert, und sie ist auch kaum der Ort, an dem aufregende neue Entwicklungen diskutiert werden; die Fälle sind an den Fingern abzuzählen, in denen Rezensionen in einem emphatischen Sinne die punktuelle »Fortschreibung der Ästhetik« (Peter Laemmle) anläßlich neu erschienener Werke darstellen.