Paul Wühr: Jörg Drews, "Der Himmelhund". Rede im Lyrik Kabinett München am 25. März 2009
„Der Himmelhund“, Jörg Drews, der zu unserem großen Schmerz am 3. März starb, hätte über diesen Titel gelächelt. Jedes Mal, wenn ich von Gott sprach, und das war und ist oft der Fall, verkündete er laut: „Den es nicht gibt!“ Jedes Mal! Ich hab‘s dann schon so weit getrieben, daß ich es immer und noch häufiger brachte, weil er sich so gefreut hat, daß er immer wieder sagen konnte: „Den es nicht gibt!“.
Ich habe einen Freund verloren. Jetzt kann ich davon reden, daß ich für ihn eine Zumutung war. Er hat sie ausgehalten, Gott weiß wie! Inge Poppe mit ihrer Autorenbuchhandlung hatte München für ihn zur Heimat gemacht. Zu uns kam er wie zu seiner Familie. Hier erholte er sich, hier konnte er von früher erzählen. Davon, was wir alles zusammen in Schwabing angestellt hatten. Das machte ihm viel Spaß, mir weniger. Ich erinnere mich, daß ich an vielen Abenden darauf wartete, daß die bayrische Gaudi endlich vorbei wäre und wir zu ernsthafteren Gesprächen kämen, meist, oft vergebens. Sicher hatte Jörg ebenso oft gehofft, daß es nicht dazu käme. Er litt ja offensichtlich an den oft ausufernden theologischen Themen. Obwohl es sich bei mir meist um häretische Fragen handelte. Ich wollte ihn nicht bekehren, wohin auch? Aber es wurde auf eine Weise ernst, die es bei Arno Schmidt gewiß nicht gab. Jedoch bei James Joyce, den er auch über alles liebte, wie Sie wissen. Das hörte ich zwar nicht gern, aber da ich auch ein Joyce-Verehrer bin, war ich still.
Vom Rezensenten meines ersten Buches Gegenmünchen war er zum Freund geworden. Nun mußte er als erster entscheiden, ob ein neues Buch von mir etwas taugte. Das auch noch! Wie oft mußte er also in den letzten Jahren bei Fragen entscheiden, für die er sich angeblich gar nicht zuständig fand. Jetzt habe ich meinen Erklärer verloren. Ich muß schon sagen: Jetzt ist er mich los. Und das macht mich mehr als traurig! Danke.
Paul Wühr: Rede im Lyrik Kabinett München am 25. März 2009. Erstdruck in: Jörg Drews: Lob des krummen Holzes. Über Paul Wühr. Hg. von Thomas Combrink. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2016, S. 189f.