Jörg Drews: Der Mensch, nach Dr. Kluge: Stehaufmännchen und Phönix
Der Gattung nach sind auch die neuesten Erzählungen Alexander Kluges gar nicht festlegbar, und damit beginnt schon das Vergnügen: Was hat man denn da vor sich, in diesen manchmal extrem lakonischen, manchmal kaskadenhaft wortreichen (aber kaum je über fünf Seiten hin- ausgehenden) Prosastücken, in diesen rasch, umtriebig, beflissen dahererzählten, sowohl glatten wie bruchstückhaften Narrationen? Soll man sie historische Phantasien nennen? Sind sie so etwas wie erfundene Anekdoten? Sollten wir sie als moderne Kalendergeschichten bezeichnen? Sind es Expertenbefragungen, bei denen sich die Interviewer blamieren und die Befragten auch nur oberschlau in Rätseln sprechen? Und in den kürzesten Fällen, wenn agil und doch mit Pokerface zehn Zeilen hingestellt werden, und dann ist’s schon aus − soll man dann sagen, das sind Alexander Kluges Gegenstücke zu Helmut Heißenbüttels Herbsten, diesen verstörenden Kurzprosastücken, in denen der Geist Daniil Charms’ aufbewahrt ist?
Jörg Drews: Der Mensch, nach Dr. Kluge: Stehaufmännchen und Phönix. In: Merkur 61 (697), S. 444-449.